THEATER DARF ALLES !

Die 39. Theatertage am See finden von 20. bis 24. März 2024 statt.

Darf Theater das?

Motto Theater darf das!  

Das Motto der 39. Theatertage am See klingt nach Trotzreaktion und erinnert an die bekannte Frage Kurt Tucholskis alias Ignaz Wrobel (Berliner Tageblatt, 27.01.1919, Nr. 36), was denn Satire dürfe. Seine Antwort: Alles. 

Das sollte doch auch für Theater gelten. Punkt.

Doch stimmt das so? Ist das wirklich so einfach? 

Sicher, im Grundgesetz sind die Freiheit der Rede und der Kunst garantiert und wir sind stolz darauf, in einer offenen und demokratischen Gesellschaft zu leben. 

Aber gibt es nicht doch ein paar Einschränkungen? Dass z. B. beleidigende, rassistische, antisemitische, diskriminierende, frauenverachtende, homophobe, verschwörungsideologische … Aussagen nicht sein dürfen, gilt zunächst als gesellschaftliche Übereinkunft. 

Was aber heißt das im konkreten Fall für das Theater? Darf die Geschichte vom Mohren Othello noch auf die Bühne, auch ohne Triggerwarnung? Wie ist der Femizid an Emilia Galotti oder Luise Miller zu beurteilen? Und wenn in diesen Fällen der Klassikerbonus gilt, welche Tabus gelten für aktuelle Stücke? 

Heute sind es sicherlich weniger moralische Tabus, auch was die Formen der Darstellungen betrifft, so herrscht auf der Bühne große Freiheit. Andererseits: Die Debatte zwischen Kämpfern für die „Wokeness“ und Gegnern der „Cancel culture“ wird oft unversöhnlich geführt, auch im Theater. Dabei mag häufig gelten, was Tucholski feststellt: „Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden“. Und wohl nicht nur der Deutsche!

Theater lotete immer Grenzen aus und überschritt diese nicht selten. Theater provoziert, hinterfragt, stellt geltende oder herrschende Verhältnisse, Werte, moralische oder ästhetische Vorstellungen in Frage, dekonstruiert Wirklichkeiten oder besser gesagt Vorstellungen von Wirklichkeiten. Und eckt dabei an. In offenen Gesellschaften ist Theater unverzichtbarer Teil eines demokratischen und partizipativen Diskurses. Totalitäre Systeme instrumentalisieren Theater als Vermittlungsinstanz herrschender Verhältnisse. Theater darf dort vieles nicht, hat dem System zu dienen. Und doch entwickelt es gerade unter solchen Bedingungen sein echtes Potential. Die spannenden Spielorte verlagern sich in Hinterhöfe, Wohnzimmer, den Untergrund und dort entwickelt Theater über Leidenschaft die Kraft, die Menschen stark macht und zu Veränderungen ermutigt. Das zeigt: Theater braucht Freiheit und findet den Weg zu ihr, allen Widrigkeiten zum Trotz!

Die Bühne ist ein fiktiver Raum, in dem die Welt in all ihren Facetten, mit Utopien und Dystopien, Abwegigkeiten oder Alltagsgeschichten, Träumen und Realitäten dargestellt werden kann.

Hier ist ein einzigartiger Platz, auf dem modellhaft durchgespielt wird, wie gesellschaftliche und individuelle Prozesse verlaufen, wie sich Figuren positiv entfalten oder radikalisieren, wie sich Systeme totalitär oder auch demokratisch entwickeln, es können Endzeitszenarien entworfen werden oder auch Sehnsüchte nach Harmonie und Happy End.

Und welch eine großartige Möglichkeit ist das, Vorgänge, Konstellationen, Beziehungen, Figuren - ja, menschliches Handeln überhaupt zu zeigen und dem Publikum zur Diskussion zu stellen!

Das gilt auch für das „Schul- Jugend- und Amateurtheater“: Ihr dürft alles!

Bitte beachten: Der Bewerbungsschluss war am 25.11.2023